Ein Alternatives Leben auf Ithaka

Sarakiniko: Die Geschichte der Aussteigerkommune in Griechenland

Die Landzunge Sarakiniko und der Filiatro Strand

„Wir suchen rund 100 Leute, die verrückt genug sind, mit uns eine Insel zu bevölkern, ein eigenes gesellschaftliches Konzept zu entwickeln und zu leben.“ Mit diesen Zeilen fing alles an. Mit diesem Aufruf begann sie, die wohl einmalige Geschichte von Sarakiniko. Verfasst und auf einem Flugblatt in der ganzen Bundesrepublik in Umlauf gebracht, wurde der Aufruf von Wido Buller, seines Zeichens Künstler und Bildhauer aus Köln, im November 1978.

Bullers Ziel war es, unter dem Arbeitstitel PALAGI – Projekt Alternatives Leben Auf Griechischer Insel, 200 Wagemutige zusammenzubringen, die ebenfalls den Traum eines alternativen Lebens hatten und die bereit waren, jeweils 10.000 Deutsche Mark (DM) in eine zu gründende GmbH einzuzahlen. Diesen 2.000.000 DM fassenden Topf, so die Kalkulation, brauchte es für den Neustart. Die erste Million war dabei für den Landerwerb vorgesehen. Mit der zweiten Million sollte eine Infrastruktur entwickelt und der Unterhalt für die ersten drei Jahre gesichert werden.

Der Aufruf schien einen Nerv getroffen zu haben, meldeten sich in der Folge doch immer mehr Menschen aus nah und fern, die den gleichen Traum eines autarken und unabhängigen Lebens in der Natur zu träumen schienen.

Und dann ging alles ganz schnell. Bereits am Silvestermorgen 1978 und damit nur etwas mehr als einen Monat nach der Veröffentlichung von Bullers Aufruf, stach ein zwölfköpfiger Erkundungstrupp in See. Ziel war das Ionische Meer und darin ganz konkret die Insel Atokos, die die Gruppe um Buller für ihre Idee ins Visier genommen hatte. Sie sollte nun auf Eignung geprüft werden. Nach wenigen Tagen stand jedoch fest, dass ein Selbstversorger-Leben in der Natur unter den hier angetroffenen Bedingungen nicht würde gelingen können – zu rau war das Wetter, zu karg und unfruchtbar die Böden.

In den Fokus rückte nun die größere Nachbarinsel Ithaka, die direkt im Anschluss, in den ersten Tagen des Jahres 1979, erkundet wurde. Im Osten des Eilands, das laut griechischer Mythologie einst von Odysseus regiert wurde, stand die 72-Hektar große Halbinsel Sarakiniko zum Verkauf. Das Land, geprägt einerseits durch steile Felshänge und andererseits durch seine flachen Hochebenen mit hunderten Olivenbäumen, erwies sich als geeignet – zum Leben, für Ackerbau und für Viehzucht und zur alternativen Energieversorgung.

Unterdessen und im Laufe des Frühjahrs näherte man sich in Deutschland immer weiter der angepeilten Marke von 200 potenziellen Aussteigerinnen und Aussteigern, die schlussendlich sogar weit hätte übertroffenen werden können. Man entschloss sich, die Grenze bei 220 Personen zu ziehen. Im Juni 1979 fand die Gründungsversammlung der Sarakiniko Alternatives Leben GmbH in Bad Oeynhausen statt. Noch im Sommer des gleichen Jahres – also nur etwas mehr als ein halbes Jahr nachdem Wido Buller seinen Aufruf öffentlich gemacht hatte – zogen die ersten Pioniere auf nun ihre Halbinsel Sarakiniko.

Die Aussteigerkommune in Griechenland wurde Realität. In großer Euphorie wurde das Land erschlossen. Es wurden Hütten gebaut und Baumhäuser, Mühlen und Wasserspeicher. Der Boden wurde kultiviert, Felder bestellt, Tiere gehalten, es wurde geerntet. Eine Schule wurde eröffnet, es gab eine Gemeinschaftsküche und auch eine öffentliche Bibliothek, der „Bücherdom“ entstand. Auch sanitäre Einrichten wurden geschaffen – darunter ein Plumpsklo mit einem Ausblick, der seines gleichen sucht. Eines hatten die deutschen Aussteiger auf Ithaka dagegen aber nie – einen festen Wasser- und Stromanschluss. Beides suchte und sucht man bis heute vergebens.

Trotzdem: Das Land wuchs und gedieh. Die Unstimmigkeiten und handfesten Krisen innerhalb der ökologischen Lebensgemeinschaft aber auch. Die Vorstellungen, wie sich Sarakiniko entwickeln sollte, gingen in mannigfaltige Richtungen. Schon bald stellte sich auch das angestrebte komplett autarke Leben als so nicht so realisierbar heraus. Mitunter wurde das Geld knapp und mancher Gesellschafter entschloss sich in der Folge zum Verkauf seiner Anteile. Sarakiniko wandelte sich mehr und mehr. Schlussendlich wurde die Halbinsel zu dem, was sie noch heute ist: ein paradiesischer Rückzugsort am Mittelmeer.

Die Siedung und auch die Aussteigergruppierung existiert noch immer. Knapp zwei Handvoll Sarakinesen leben sogar dauerhaft auf ihrer Halbinsel, während bis zu 50 weitere Mitglieder regelmäßig ihre Urlaube hier verbringen.

Geheizt wird noch immer mit Holz, gekocht mit Gas und gewaschen und gegossen mit Regenwasser. Sämtlicher Strom wird aus Solar- und Windkraft gewonnen. Eine nachhaltige Landwirtschaft wird betrieben, handgeerntetes griechisches Olivenöl produziert – Jedoch reicht all dies auch heute noch nicht aus für die einst angestrebte Autarkie. Die einzelnen Familien organisieren sich heute unabhängig voneinander – eine Gemeinschaftsküche beispielsweise, wie es sie in der ersten Jahren gab, existiert heute nicht mehr.

Was sich nicht geändert hat: Eigentümerin des Areals ist bis heute die Sarakiniko Alternatives Leben GmbH, deren Sitz mittlerweile in Trier ist. Beschlussfassendes Organ ist die jährliche Hauptversammlung.

Das Baumhaus – Heimat dreier Sarakinesen für 18 Jahre

Ein Leben in der Natur:

Die Sarakiniko Alternatives Leben GmbH

Gegründet wurde die Sarakiniko Alternatives Leben GmbH im Juni des Jahres 1979 im westfälischen Kurort Bad Oeynhausen, auf halbem Weg zwischen Bielefeld und Hannover. Als Gegenstand des Unternehmens definierten die Gründungsmütter und –väter seinerzeit „die Schaffung der Voraussetzung für eine Lebensform, wie sie sich die Gesellschafter unter dem Begriff ,alternatives Leben‘ vorstellen. Insbesondere der Erwerb des als Sarakiniko bezeichneten Geländes auf der griechischen Insel Ithaka, der Erwerb und die Erzeugung geeigneter Betriebsmittel und Waren wie auch Dienstleistungen hierfür.“

200 Geschäftsanteile zu je 500 DM wurden seinerzeit vergeben, neue Gesellschafterinnen und Gesellschafter zahlten der GmbH ein Darlehen von 9500 DM zzgl. Inflationsausgleich. Heute hat das Unternehmen circa 60 Gesellschafterinnen und Gesellschafter. Ganzjährig leben circa zehn Personen, die sich selbst als Sarakinesen bezeichnen, in der Aussteigergemeinschaft auf Ithaka.

 

Soulfood & Traumblick:

Das ist Leas Beach Bar

Leas Beach am Strand von Sarakiniko

Fürs Auge hält Leas Beach Bar am Abend den Blick auf sensationelle Sonnenuntergänge bereit. Allzeit hat man den wohlig-salzigen Duft des Meeres in der Nase, während man an einer der locker angelegten Tischgruppen sitzt oder es sich auf einer der Liegen am Strand gemütlich gemacht hat.

Am Abend wird es atmosphärisch, wenn es langsam dämmert und sich Lichterketten und Girlanden im Takt der Wellen und im Einklang mit einer frischen Brise hin und her bewegen.

Leas Beach Bar ist aber auch in anderer Hinsicht ein echter Meilenstein, weil sie das erste gemeinsame Projekt von zwei Sarakiniko-Kindern und einem ortsansässigen Griechen ist. Die Pacht für die Beach Bar stellt eine der wenigen Einnahmequellen der GmbH dar.

 

Das „Gold“ von Ithaka

Handgeerntetes griechisches Olivenöl

Oliven und Sarakiniko – das gehört zueinander. Die Olivenernte und –verarbeitung sind seit jeher feste Bestandteile des Lebens auf der Insel – auch für die deutsche Aussteigergesellschaft auf Ithaka, die unter der Marke SARAKINIKO ein eigenes Olivenöl produziert und vertreibt.

Sarakinesen bei der Olivenauslese

800 einzigartige, jahrhundertealte Bäume, deren Urväter schon zu Odysseus’ Zeiten die Menschen mit Oliven und ihrem gesunden Öl versorgt haben, werden von den Selbstversorgern seit mehr als 40 Jahren achtsam und nachhaltig rekultiviert. Durch das traditionelle händische Ernteverfahren, werden der ursprüngliche Boden und das einzigartige Landschaftsbild des Olivenhains bewahrt. Die Oliven werden von Hand sortiert und schonend kalt gepresst. Das Ergebnis ist ein Olivenöl von herausragender Qualität.

Das handgeerntete griechische Olivenöl SARAKINIKO ist extra nativ. Nur kaltgepresste Olivenöle mit einem Säuregehalt von weniger als 0,8 Prozent gelten als Nativ Extra. Sarakinikos Olivenöl hat einen Säuregehalt von 0,17%. Damit ist SARAKINIKO ein Öl höchster Klasse. Dies wurde sowohl durch eine Laboruntersuchung, als auch durch professionelle Verkostungen bestätigt. Zwei der Gründe für die Spitzenqualität von SARAKINIKO liegen im wahrsten Sinne des Wortes auf der Hand:

  • Durch das händische Ernten werden die Oliven weit weniger beschädigt als durch die üblichen maschinellen Verfahren.
  • Außerdem gelangt durch die händische Sortierung deutlich weniger (bitteres) Blattwerk und Schmutz in die Presse.

Durch den Kauf des Olivenöls SARAKINIKO wird der Erhalt des uralten Olivenhains auf der Insel Ithaka und des traditionellen Handwerks der Olivenernte gesichert.

Die Sarakinesen bei der Olivenernte

 

TV-Dokumentation

Filmische Begleitung der ökologischen Lebensgemeinschaft auf Ithaka

Bereits 1978 begleitete der Filmemacher Thomas Schmitt die erste Expedition des Projektes zur Insel Atokos. Im Jahr darauf dokumentierte er die Auswanderung der deutschen Aussteiger in „ihr Paradies“.

2009 und damit exakt 30 Jahre später besuchte Schmitt Sarakiniko erneut. Mit „Trauminsel revisited – 30 Jahre Sarakiniko Alternatives Leben GmbH“ realisierte Schmitt seinerzeit einen umfangreichen Dokumentarfilm für den Fernsehsender arte. Sie zeigt eindrucksvoll, was sich die Kommune in Griechenland zu Beginn auf die Fahnen geschrieben hatte und den Weg, den die deutschen Aussteiger auf Ithaka tatsächlich gegangen sind.

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Flora & Fauna:

Ein Leben in der Natur und von der Natur

Landschaftlich geprägt ist das 70 Hektar fasende Sarakiniko durch etliche Strände, Hügel, Felsen, steile Klippen, etliche alte Terrassen aber auch durch ehemaliges Weideland, flache Hochebenen, die den Selbstversorgern die Bewirtschaftung von Obst-und Olivenbäumen und das Ernten von Champignons, Salbei und Johanniskraut ermöglichen.

Schlank in die Höhe wachsende Zypressen, Ginster, Macchia-Formationen, Oleander und Mastixsträucher komplettieren das Bild eines mediterranen Ambientes – der typische Duft tut sein Übriges dazu.

Ziegen, Marder, Katzen leben hier in freier Wildbahn. Im Sommer prägen Zikaden mit ihren typischen Lauten die Geräuschkulisse.

 

Der Bücherdom

Tauschbörse für mehr als 1000 Werke

Der Bücherdom

Der „Bücherdom“, gelegen auf einer der Anhöhen, gleich hinter dem Tor zum so genannten „Garten Eden“, ist die offene Tauschbörse der Aussteigerkommune. Weit über 1000 Bücher stehen hier, eingereiht in bis zu zwei Meter hohe Regale, zur Ausleihe bereit – oder aber zum Direktverzehr vor Ort. Denn der „Bücherdom“ lädt durch seine gemütliche Einrichtung mit Teppich, Sitzgelegenheiten und sogar einem Schaukelstuhl auch zum Verweilen ein. Er wird bis heute von der ökologischen Lebensgemeinschaft der deutschen Aussteiger instandgehalten.

 

Ithaka: Ein Leben in der Natur

Das ist sie und dort liegt sie, die „Insel der Selbstversorger“

Die Ionischen Inseln. Sie liegen im gleichnamigen Meer vor der Westküche Griechenlands, sind seit 1864 Teil des Staatsgebiets und heutzutage mit ihrer circa 2300 Quadratkilometer großen Fläche die kleinste Region Griechenlands. Hauptstadt der Ionischen Inseln ist die Stadt Korfu auf der gleichnamigen, vielleicht populärsten Insel dieser Gruppe.

Blick auf Vathy von Kathara im Winter

Rund 200 Kilometer südlich von Korfu liegt die Insel Ithaka, die mit einigen sie umgebenden kleineren und unbewohnten Inseln die Gemeinde Ithaka bildet. Die Hauptinsel fasst 95,8216 Quadratkilometer. Der zentrale Ort und gleichzeitig wichtigste Hafen ist Vathy, gelegen im Süden der Insel. Erreichbar ist Ithaka per Fährverbindung von Lefkada, Kefalonia, Astakos, Patras und Kyllini. Die Fährboote steuern die Häfen der Inselorte Frikes und Piso Aetos an.

Ithakas Gesamtfläche verteilt sich auf zwei in etwa gleichgroße Teile, dem Nord- und dem Südteil der Insel, die nur über den schmalen, etwa 620 Meter breiten Streifen, den Isthmus von Aetos, miteinander verbunden sind.

Die Bucht Sarakiniko liegt an der Ostküste des Südteils der Insel. Hier befindet sich auch die ökologische Lebensgemeinschaft der deutschen Aussteiger. Sarakiniko dient seinen Mitgliedern heute als Rückzugs- und Urlaubsort. Zwei Handvoll Menschen leben ganzjährig auf Sarakiniko, mehr oder weniger im Einklang mit der Natur.

Der Strand von Sarakiniko

 

Die Kinder von Sarakiniko

Aufgewachsen in einer Aussteigerkommune in Griechenland

Einige Kinder wurden seit 1979 auf Sarakiniko geboren, mehr noch sind dort aufgewachsen und sehr viele haben zumindest einen Teil ihrer Kindheit dort verbracht. Geprägt war die Kindheit von einer Umgebung, die für das Erleben von Abenteuern prädestiniert war und in einer Landschaft, die einer Kinder-Fantasie hätte entsprungen sein können. Klettern in den Felsen und auf hohen Bäumen, die 2000 Jahre und älter waren, Schwimmen im glasklaren Wasser, Buddeln an den schier endlosen Stränden – all das war Alltag für die Kinder von Sarakiniko. Auf der anderen Seite wurden die Kinder aber auch verhältnismäßig früh in die Organisation des Alltags mit einbezogen. Bei der Ernte helfen, die Wassertanks auffüllen, kochen, spülen, Mehl malen, Ziegen hüten – mit Aufgaben, wie diesen, wuchsen sie in der ehemaligen Hippiekommune auf.

Schulische Bildung fand in den ersten Jahren direkt auf Sarakiniko statt. Einigen Eltern kam in diesem Zuge eine neue Teilrolle zu, sie wurden Lehrerinnen und Lehrer. Später gingen die jungen Sarakinesinnen und Sarakinesen auf die griechische Schule im zweieinhalb Kilometer entfernten Vathy, der Hauptstadt von Ithaka. Teilweise gingen die Kinder von Sarakiniko auch in Deutschland zur Schule und kehrten später in die ehemalige Kommune zurück.

Sarakiniko mit Blick auf Atokos

Fotos: Lea Andohr, Chrisostomos Tsintilas, Marie-Therese Wassermann, Daniela Dieterich, Nicole Müller

Texte: Timo Kölsch, Sebastian Franzen

Kontakt: franzen(at)franzenmusik.de